3. Liga

Fast 10 Millionen Euro Schulden: Ponomarevs vergiftetes Erbe beim KFC

Uerdingen: Haftet der Ex-Investor für Verbindlichkeiten?

Fast 10 Millionen Euro Schulden: Ponomarevs vergiftetes Erbe beim KFC

Stehen beim KFC Uerdingen am Pranger und müssen wohl haften: Mikhail Ponomarev und Nikolas Weinhart.

Stehen beim KFC Uerdingen am Pranger und müssen wohl haften: Mikhail Ponomarev und Nikolas Weinhart. Getty Images

Wie wird man 10 Millionen Euro Schulden los? Dr. Claus-Peter Kruth ist als Insolvenzverwalter Fachmann für solche Fragen. Einen ausgewiesenen Spezialisten hat der KFC Uerdingen derzeit bitter nötig: Seit Anfang Februar steckt der Drittligist im Insolvenzverfahren. Nun will Kruth den KFC entschulden - oder genauer: Die KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH, die den Spielbetrieb in Krefeld abwickelt. Sein Mittel dazu ist ein Insolvenzplan, dessen wesentlichen Inhalt Kruth in den vergangenen Tagen an die zahlreichen Gläubiger verschickte. Das mehr als 70 Seiten umfassende Schreiben, das dem kicker und der Westdeutschen Zeitung vorliegt, birgt großen Sprengstoff. Denn Kruth rechnet darin nicht nur knapp 10 Millionen Euro Schulden zusammen. Sondern er macht auch Hoffnung darauf, den Gläubigern einen Teil der Summe zurückzahlen zu können.

Die Ursache für die Insolvenz des KFC liege in der Abhängigkeit von Ponomarev, schreibt Kruth in seiner Zusammenfassung. Sponsoreneinnahmen hätten zuletzt nur einen "auffällig geringen Teil des Etats ausgemacht", nämlich "weit unter 10 Prozent". Dem stünden "für die Liga auffällig hohe Personal- und Mietaufwendungen für die Stadionnutzung gegenüber". Ein Missverhältnis, das sich nicht dauerhaft ausgleichen ließ. Trotz "nennenswerter Zahlungen" des Investors sei der KFC "schon seit geraumer Zeit nicht ausreichend finanziert" gewesen. Die Corona-Pandemie sei deswegen auch nicht der maßgebliche Grund für die Insolvenz. Vielmehr sei die Liquidität auch vor Ausbruch der Pandemie nicht gedeckt gewesen. Deswegen habe man die Lizenzierung beim DFB "maßgeblich auf die Erklärung des Investors" stützen müssen.

7,8 Millionen Euro "Personalaufwand Spielbetrieb"

Ein Indiz für die Abhängigkeit der Uerdinger von ihrem Geldgeber: In der ersten Jahreshälfte 2020 habe Ponomarevs Energy Consulting Europe GmbH insgesamt 815.000 Euro an den KFC überwiesen, listet Kruth in seinem Insolvenzplan auf. Lediglich 163.000 Euro seien zurückgezahlt worden. Doch die Stütze reichte offenbar nicht. Aus einer dem Schreiben beiliegenden Gewinn- und Verlustrechnung geht hervor, dass der KFC im Kalenderjahr 2020 einen Jahresfehlbetrag von rund 7,7 Millionen Euro produzierte. Auf allein 7,8 Millionen Euro wird der "Personalaufwand Spielbetrieb" beziffert.

KFC seit Anfang 2020 zahlungsunfähig

"Spätestens seit Beginn des Jahres 2020" sei der KFC zahlungsunfähig gewesen. Allein die Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern beliefen sich auf 2,4 Millionen Euro, bei Sozialversicherungsträgern seien mehr als 2,6 Millionen Euro fällig. Je nachdem, ob der Spielbetrieb fortgeführt werde oder die GmbH liquidiert werden müsse, summiert Kruth einen Gesamtschuldenstand von 9,6 beziehungsweise 9,9 Millionen Euro. 172 Forderungen von Gläubigern werden aufgeführt: Von nicht gezahlten Spieler-Handgeldern über offene Ticket-Rechnungen bis hin zu massenhaften Posten nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge.

Ehemalige Spieler sollen Gehälter zurückzahlen

Bleibt die Frage: Wie raus aus den Schulden? Von einer Auflösung der Spielbetriebs-GmbH würden die Gläubiger offenbar nur minimal profitieren. Kruth rechnet vor, dass nur rund 0,8 Prozent der Ansprüche befriedigt werden könnten. Mehr verspricht er bei Fortführung des Spielbetriebs. Dann soll über Haftungsansprüche und Anfechtungen Geld in den Topf fließen, aus dem die Gläubiger befriedigt werden. Mehr als 17 Prozent Insolvenzquote sollen so zusammenkommen. Mit den Anfechtungen hat Kruth schon begonnen: Ehemalige Spieler sollen Gehälter zurückzahlen, weil davon auszugehen sei, dass sie von der finanziell katastrophalen Lage Kenntnis gehabt hätten. Fast 500.000 Euro forderte der Insolvenzverwalter dem Schreiben nach erfolgreich vom Finanzamt Krefeld zurück.

Ponomarev gerät unter Druck

Zusätzlich gerät Ponomarev unter Druck. Denn der unterschrieb in den vergangenen Jahren immer wieder sogenannte Patronatserklärungen. Darin heißt es wörtlich: "Der Investor verpflichtet sich hiermit gegenüber der KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH, dieser stets die erforderliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, welche die KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH benötigt, um ihre (…) entstandenen und fälligen Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu bezahlen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass hieraus ein unmittelbarer, in der Höhe nicht betragsgemäß begrenzter Zahlungsanspruch der KFC Uerdingen Fußball 05 GmbH gegen den Investor erwächst."

Haften neben Ponomarev auch Weinhart und Strüver?

Laut Kruth hafte ein solcher Patron nach ständiger Rechtsprechung im Insolvenzfall auf Schadenersatz. Demnach habe Ponomarev für alle Schulden des KFC bis zum Ende der laufenden Saison einzustehen. Außerdem haften möglicherweise auch die beiden Geschäftsführer Nikolas Weinhart und Frank Strüver, der bereits Ende 2020 zurücktrat. Kruth plant nun, bei den drei in den vergangenen Jahren verantwortlichen Protagonisten Geld einzutreiben. 1,5 Millionen Euro peilt Kruth an. 17,4 Prozent Insolvenzquote könnten am Ende herausspringen - vorausgesetzt, bei Ponomarevs kompliziertem Firmengeflecht würden Erfolge erzielt. Zusätzlich könnte auch noch die Staatsanwaltschaft aktiv werden. Die werde sich die nötigen Unterlagen zur Einsicht zusenden lassen, sobald das zuständige Insolvenzgericht die Akten freigebe, teilte ein Sprecher mit.

Unser Ziel ist nach wie vor die Entschuldung der KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH, für die der Insolvenzplan die Grundlage darstellt.

Weder Kruth noch der Verein wollten sich auf Nachfrage von kicker und Westdeutscher Zeitung genauer zu dem Bericht an die Gläubiger äußern. Über einen Sprecher ließ der Insolvenzverwalter aber mitteilen: "Unser Ziel ist nach wie vor die Entschuldung der KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH, für die der Insolvenzplan die Grundlage darstellt. Wie bereits mitgeteilt wurden die Lizenzunterlagen sowohl für die 3. Liga als auch für die Regionalliga fristgerecht eingereicht." Die Prognose für die Zukunft liest sich durchaus optimistisch. Denn die KFC Uerdingen Fußball GmbH ist nach Ansicht von Dr. Claus-Peter Kruth "fortführungsfähig". Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschafterversammlung Anfang Mai den Insolvenzplan bestätigt. Sollte es dazu nicht kommen, sei die einzige Alternative eine Abwicklung des Vereins.

Jim Decker