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Hannover II krönt sich zum Meister der Regionalliga Nord

"Solange wir aber ein Tor mehr schießen als der Gegner, passt es"

Mit zuschauerfreundlicher Mentalität: Hannover II ist Meister der Regionalliga Nord

Wegweisender 19. Spieltag: Hannovers Spieler jubeln über drei Punkte bei Verfolger Phönix Lübeck.

Wegweisender 19. Spieltag: Hannovers Spieler jubeln über drei Punkte bei Verfolger Phönix Lübeck. IMAGO/Lobeca

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Von 1951 bis 1998 wurde 48-mal der Deutsche Amateurmeister ausgespielt. Mit drei Erfolgen (1960, 1964 und 1965) gehört die zweite Mannschaft von Hannover 96 neben dem SC Jülich 1910 und dem SV Werder Bremen II zu den Rekordtitelträgern dieses einstigen Wettbewerbs. Fast 60 Jahre nach dem dritten Triumph feierte die jetzige U 23 des Zweitligisten ihren seitdem größten Erfolg. Mit dem 5:0 (1:0)-Heimsieg gegen den bereits als Absteiger feststehenden Eimsbütteler TV machte das Team von Trainer Daniel Stendel am 33. und vorletzten Spieltag den Gewinn der Meisterschaft in der Regionalliga Nord und damit die Teilnahme an den Aufstiegsspielen zur 3. Liga aus eigener Kraft perfekt.

Mit jetzt 73 Punkten auf dem Konto ist der Nachwuchs der "Roten" von den beiden verbliebenen Verfolgern 1. FC Phönix Lübeck und SV Meppen (jeweils 65 Zähler), die jeweils erst am Sonntag im Einsatz sind, endgültig nicht mehr von Platz 1 zu verdrängen.

Wegen der guten Ausgangslage des Spitzenreiters war bereits eine Ehrungsdelegation des Verbandes ins Eilenriedestadion nach Hannover gereist. DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert (Hildesheim) übergab in seiner Eigenschaft als Präsident des Norddeutschen Fußballverbandes (NFV) die Meistertrophäe an den 96-Nachwuchs, der nach dem Saisonende jetzt die Chance hat, erstmals in die 3. Liga aufzusteigen. Am Mittwoch, 29. Mai, muss der Nord-Meister zunächst beim Bayern-Titelträger FC Würzburger Kickers antreten. Das Rückspiel findet am Sonntag, 2. Juni, in der großen Heinz von Heiden Arena statt, der Spielstätte der Profis.

Schon in der Vorsaison hatte sich die positive Entwicklung angedeutet. Als Tabellendritter (mit 67 Punkten und 81:54 Toren) mussten die Niedersachsen nur Meister VfB Lübeck und der U 21 des Hamburger SV den Vortritt lassen. Vor Saisonbeginn musste Ex-Bundesliga-Profi Stendel dann - typisch für eine zweite Mannschaft - erneut einen großen Umbruch im Kader meistern. Allein aus der eigenen U 19 rückten neun Talente auf. Auch die Offensivspieler Sean Busch (zuvor VfL Wolfsburg U 19) und Husseyn Chakroun (JFV Calenberger Land/Barsinghausen) kamen aus dem A-Junioren-Bereich - und schlugen sofort ein. Busch traf bei neun Einsätzen sechsmal (und bereitete drei weitere Tore vor), ehe er sich langwierig verletzte und für den Rest der Saison ausfiel. Chakroun verpasste nur zwei Partien, gehörte 27-mal zur Startformation (sechs Tore, zwölf Vorlagen) und hat inzwischen einen ab 1. Juli gültigen Profivertrag unterschrieben.

Nur der FC Bayern trifft häufiger

Sogar schon eine feste Größe im Lizenz-Kader ist inzwischen Lars Gindorf (22), der als Kapitän der U 23 in die Saison gestartet war und mit nicht weniger als 21 Treffern in 22 Partien großen Anteil am Sprung an die Tabellenspitze hatte. Bezeichnend: Obwohl Gindorf seit Mitte Februar nur noch einen Einsatz für die U 23 bestritt (beim wichtigen 3:2 im Topspiel beim 1. FC Phönix Lübeck), führt er immer noch die Torjäger-Liste der Nord-Staffel an. Zuletzt stand er sogar dreimal in der Startformation von Cheftrainer Stefan Leitl und erzielte auch seine ersten beiden Tore in der 2. Bundesliga. "Genau das ist unser Auftrag", freut sich U-23-Trainer Daniel Stendel, zumal es auch ohne Gindorf gelang, die Spitzenposition zu behaupten und die Meisterschaft unter Dach und Fach zu bringen.

"Die neuformierte Mannschaft hat zu Saisonbeginn schnell zueinandergefunden und von Beginn an gute Leistungen gezeigt", lobt Stendel, der vor Saisonbeginn das "vordere Tabellendrittel" angepeilt hatte. "Bei uns steht natürlich die Entwicklung der einzelnen Spieler im Vordergrund. Erfolge schaden dabei aber nicht."

In der Tat. Auch die sportliche Bilanz kann sich mehr als sehen lassen. Die Hannoveraner stellen die beste Heimmannschaft der Liga (47 Punkte aus 17 Partien, keine Niederlage) und sind das erfolgreichste Rückrundenteam (38 Zähler aus 16 Begegnungen). Vor allem aber lässt die Torausbeute von 88 Treffern aufhorchen. In den ersten vier Ligen traf nur der FC Bayern München in der Bundesliga noch häufiger. Da kann Daniel Stendel auch die 40 Gegentreffer verschmerzen, zumal sich seine Mannschaft auch in dieser Hinsicht nach der Winterpause im Vergleich zur Hinserie deutlich stabilisierte.

"Solange wir aber ein Tor mehr schießen, passt es"

"Wir spielen immer zuschauerfreundlich", formulierte Ex-Stürmer Stendel schon vor einigen Monaten im kicker-Gespräch mit einem Grinsen. "Es entspricht der Mentalität der Mannschaft, mit offenem Visier nach vorne zu spielen. Ein 5:4 ist mir zwar nicht unbedingt lieber als ein 1:0. Solange wir aber ein Tor mehr schießen als der Gegner, passt es", so der einstige 96-Cheftrainer, der während seiner Karriere auch schon in England (FC Barnsley), Schottland (Heart of Midlothian FC) und Frankreich (AS Nancy) tätig war, ehe er im Juli 2022 als U-23-Trainer in die Landeshauptstadt von Niedersachsen zurückkehrte und das Team nur zwei Jahre später zur Regionalliga-Meisterschaft führte.

In den Aufstiegsspielen zur 3. Liga kann die ohnehin schon herausragende Saison jetzt noch gekrönt werden. "Der Aufstieg war grundsätzlich kein erklärtes Ziel für uns", sagt Stendel. "Jetzt aber werden wir alles dafür tun, um die Chance wahrzunehmen und es sportlich zu schaffen. 96 tut alles dafür, um seinen Talenten die bestmögliche Plattform zu bieten."

Kaderplanung läuft

Die Planungen für die neue Saison laufen derweil ligaunabhängig. Mit Angreifer Jorden Winter (20) vom FSV Luckenwalde, Defensiv-Talent Noah Engelbreth (19/1. FC Union Berlin) und Profi-Innenverteidiger Julian Börner (33), der künftig als Führungsspieler der U 23 vorangehen soll, stehen drei Zugänge fest. Auch aus der eigenen U 19 werden einige Spieler aufrücken, Top-Talent Montell Ndikom (19) hat ebenso wie Husseyn Chakroun (19) sogar schon einen Profivertrag unterschrieben. Den Verein verlassen werden Mittelfeldspieler Tom Moustier (22), der beim Drittligisten Rot-Weiss Essen im Profibereich Fuß fassen will, und Rechtsverteidiger Luis Podolski (20), den es zum Regionalliga-Rückkehrer Kickers Emden zieht. Der eine oder andere wird folgen.

Ralf Debat

Meister der Regionalliga Nord: Wolfsburger Rekordsieger, Lübeck mit bestem Punkteschnitt